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Das kleine Mädchen mit dem Tütchen

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und die Engel, ganz zu schweigen vom Teddy
 
Heute sagte mir mein Papi, ich sollte schneller ins Bett gehen, denn morgen sind die Sommerferien zu Ende und die Schule geht wieder los, ich nörgelte ein bisschen, aber Papi versprach mir, dass ich morgen nach der Schule den ganzen Nachmittag bei der Post verbringen darf. Ich gehe sehr gern zur Papis Arbeit, zur Post, dort riecht es nach Stempelfarbe, man hört „Blitzgespräch nach Warschau”, oder „Depesche nach Lviv”; dort gibt's viele Menschen, wo „Bitte schön, das ist die neue Briefmarkenserie“ oder „Ich empfehle Ihnen diese Postkarten“, wo die Briefpapiere in verschiedenen Farben und Mustern sind“, und Papis Arbeitskollegen tragen sehr große Posttaschen, Mützen mit dem polnischen Adler und sie vergessen es nie, dass ich so gern Bonbons aus dem Tütchen mag. Ich fragte meinen Papi, ob ich meinen Teddy mit zur Post nehmen kann, weil ich den Teddy fast genauso wie meinen Papi und meine Mami liebe und möchte ihn nicht alleine in der Wohnung lassen, obwohl wir in demselben Gebäude wie die Post wohnen.

 Papi ist die wichtigste Person bei der Post, weil er Hausmeister ist. Jeden Morgen öffnet er das Tor und jeden Abend schließt es ab, er begrüßt alle mit einem fröhlichen: „Guten Morgen“, Herr Direktor antwortet ihm: „Guten Morgen, Herr Pipka, wie geht‘s Ihnen“ oder fragt ihm:„ Was gibt‘s Neues in der Stadt, Herr Pipka“, und Papi antwortet seit einigen Jahren: „Nichts Gutes, Herr Direktor, Satane regieren und das verheißt nichts Gutes, schon wieder versauten sie unseren Briefkasten in der Pfefferstraße“. Herr Direktor fragt den Papi gar nichts mehr, da er seit einigen Monaten sehr besorgt ist. 

 Da er nicht mein Papi ist, denn er ist 67 und trägt den anderen Namen als ich. Da ich sein Pflegekind bin. Und was macht das schon? Der ist mein Papi und Schluss damit. Morgen bringt mich mein Papi in die Schulheimat (Macierz Szkolna) in Polnisches Haus (Dom Polski) in der Wallgasse, das ist unweit von uns, wir wohnen am Heveliusplatz, dort treffe ich meine Schulkameradinnen, Lehrer und den Schulhausmeister. Der Schulhausmeister kennt meinen Papi sehr gut.

Ich rede ganze Zeit über Papi, aber wie es sich für ein braves Mädchen gehört, etwas über mich erzählen. Ich heiße Erwina und in einem Monat werde 10.

Ich liebe meinen Teddy, meine Schulfreundinnen, mag so gerne Bonbons aus dem Tütchen und fürchte sehr die Satanen, denn sie stampfen, schreien, greifen die Arbeitskollegen von meinem Papi an , brüllen "heil“, aber ich muss jetzt schlafen, dies sagte mein Papi.

Papi weckte mich auf und sagte, dass halb fünf ist.
-„Papi, aber es ist zu früh, die Schule beginnt erst um 9 Uhr“.
-„Sei still“ – sagte er. Die Satanen schalteten Strom ab, es ist ganz dunkel. Er knipste die Taschenlampe an und brachte mich und Mami in den Postkeller hin, weil hier gefahrlos wird. Ich bin für diejenigen, die ich liebe, ein verantwortliches Mädchen, von daher nahm ich den Teddy mit, er hätte Angst, alleine in der Wohnung im Dunkel zu sein und jetzt sage ich ihm – „Teddy, alles wird wieder gut, das ist nur ein Weilchen, dies sagte Papi und Papi ist klug und weiß alles“.

Ihr erhofft von mir nicht, von zehnjähriger Erwina, dass ich davon erzählen kann, was hier los war. Ich weinte und umarmte Teddy. Satane schossen auf uns von der Straße aus, Arbeitskollegen von Papi schossen auf Satane. Papi umarmte mich und war hilflos, ein 67-jähriger, alter Mensch, der darauf keinen Einfluss mehr hat. Jemand schrie, jemand lag im Sterben, jemand betete. Teddy schwieg und er war sehr tapfer. Denk' an etwas Angenehmes – sagte Mami. Ich dachte daran, welchen Geschmack Bonbons aus dem Tütchen haben, an Freundinnen, Schule und an versprochene Geburtstagsfeier in einen Monat, hoi, bald 10 Jahre, erwachsenes Mädchen - wie Papi sagte, und fragte mich, was ich will. Die Bonbons aus dem Tütchen von dem Schüsseldamm, dort sind die besten.

Von 11 bis 15 Uhr schossen sie auf mich und Teddy mit Kanonen 75 mm, ich weinte, Teddy schwieg, weil er der tapferste Teddybär der Welt ist. Ich hatte Angst um Teddy und versteckte ihn in einer Ecke – „Hier wird dir am besten, sei tapfer“.

Um 15 Uhr hörten sie auf zu schießen und ich schlief ein. Gegen 17 Uhr wachte ich wegen des schrecklichen Knalls auf, von oben hagelte es Steinstaub herunter, auf mich, auf Teddy, in den Keller liefen Papis Kameraden hierhinein, sie waren schmutzig, ermüdet und von oben bis unten schwarz von der Asche.

Satanen gossen etwas in den Keller hinein. Mami schrie – „Sie töten uns“. Papi schrie sie an: „beruhige dich“. Wen töten sie? Dich? Mich, den 67-jährigen Greis?. Oder die kleine Erwina, das 10-jährige Kind?

Danach schrie Papi, er stand in Flammen, Mami brannte, Papis Kameraden brannten und ich brannte. Satanen verbrannten uns und brennend, schreiend und weinend tanzten wir in Flammen,– unser Totentanz. Ich dachte mit äußerster Kraft: „Nur der Teddy rettete sich. Es ist gut, dass ich meinen Teddy in der Ecke versteckte. Ich hoffe, dass er seine Augen schloss, um auf uns nicht zu gucken.

Ich bin in der Hölle. In der Hölle sprechen die Satanen deutsch. Ich höre, wie sie miteinander reden. Ich habe keinen Mund mehr, ich kann nicht mehr schreien. Ich habe keine Lider mehr, ich sehe nicht mehr. Ich schließe meine Augen nicht. Es tut weh. Wo ist mein Papi, meine Mami? Ich kann nicht weinen, ich vergaß, wie man weinen kann? Ich denke an meinen Teddy und an Bonbons, dann tut es weniger weh. Ich habe keine Haare mehr. Ich bin verbrannt. O Gott! Was machte ich, dass ich in der Hölle bin. Ich war ganzes Leben brav, heute ist meine ganze Haut verbrannt. Ich sollte eine schöne Frau sein, das sagte immer meine Mami. Heute bin ich in der Hölle. Heute bin ich ein verkohltes Fleisch. Ich stinke. Ich weiß es selbst. Mein Gott, warum? Der Priester sagte immer, dass Kinder nicht in die Hölle kommen, sondern sie werden Engelchen. Und ich bin in der Hölle. Aß ich zu gern Bonbons? Es tut weh, es tut sehr weh. Ich denke nicht mehr. Jeder Zentimeter meines verbrannten Körpers tut weh.

Ich bin hier schon 19 Tage, im städtischen Krankenhaus und ich bin in der Hölle. Heute besuchte unsere Stadt Beelzebub, wie mein Papi über den kleinen, brüllenden Mann mit dem Schnurrbart sagte. Und alle, sogar unsere Nachbarn streuten die Blumen auf seinen Weg. Blumen in der Hölle. Alle schrien, dass sie Beelzebub lieben, waren glücklich. Sind sie alle verrückt? Beelzebub ließ mich verbrennen, mich ein kleines Mädchen und sie alle tanzen vor Begeisterung i danken ihm. Glücklich, weil sie mich verbrannten.

Und es tut mir weh. Es tut weh, ich habe keinen Mund, keine Lider, Haare und Ohren mehr. Sie sind „trunken von Glück“. Manchmal ist irgendeiner Satan freundlich, dann höre ich – Morphium und nach einem Moment sehe ich Engel. Es ist schön, in der Hölle des Schmerzes verbrannt zu sein und Engel zu sehen. Einer von ihnen hat Papis Gesicht.

Ich liege schon 35 Tage und es tut die ganze Zeit weh. Es ist der 5. Oktober 1939. Nur ein Engel kam heute zu mir. Er weinte. Engelchen, warum weinst du? Ich kann nicht mehr weinen, sie verbrannten mir die Lider, ich habe keinen Mund, ich kann nicht mehr schreien. Der Engel sagte mir: „Die Satane erschossen alle Kameraden von deinem Papi, Kameraden mit Posttaschen voller Briefe und Postbeamten und sie warfen in die Grube. Ich dachte, wer bringt mir Bonbons. Sie sind schon im Himmel, zusammen mit meinem Papi und ich bin in der Hölle. Ich soll stärker und tapferer sein als sie, gesund werden und den Teddy finden. Sind im Himmel Bonbons?

Es ist der 16 Oktober 1939. Ich bin schon 46 Tage in der Hölle. 46 Tage, es sind etwa 4 Millionen Sekunden. 4.000.000 Mal wollte ich schreien. 4.000.000 Mal wollte ich weinen. 4.000.000 Mal hatte ich Schmerzen. Geburtstag, was für ein schönes Wort. Torte, Feier, Geschenke, Freunde, Spiele, Tanzen. 10 Geburtstag eines Mädchens.

Heute habe ich Geburtstag. Ich hörte kein Wort Morphium, ich sah keine Engel. Ich stehe 4.000.001 Mal in Flamen. In meinem Geburtstag. Rettete sich mein Teddy? Mit wem ist er jetzt?

Es tut mir schon 50 Tage weh. Ich bin ein kleines Mädchen i kann solche Worte wie: Leiden, Qual, Sterben, Ewigkeit. Wenigstens verstehe ich schon das Wort Ewigkeit. Es tut mir schon die ganze Ewigkeit weh.

Es ist der 20 Oktober gegen 2:45 Uhr. Ein Engel kam zu mir und sagte: Komm mit mir, kleine Erwina und gab mir seine Hand. Ich ging und dachte an meinen Teddy nicht mehr. Ich wurde Engel.

Am 20 Oktober 1939 nach 50 Tagen voller Leiden ist Erwina Barzychowska an schweren Brandverletzungen gestorben, sie war das jüngste Opfer des Angriffes auf das Gebäude der Polnischen Post in der Freien Stadt Danzig, das Pflegekind des Hausmeisters Jan Pipka und seiner Ehefrau Malgorzata.

Ihr Grab befindet sich in Danzig- Zaspa, Quartier II, Grab 36.

 

Wenn Du einmal im Friedhof wärst, besuche bitte ihr Grab. Lege Teddybär am Grab nieder. Der Teddy, dessen sie auf dem Weg zum Himmel zurückließ. 


Notka powstała na podstawie poruszającego serce tekstu Lestata

http://lestat.salon24.pl/602851,dziewczynka-z-tutka-i-anioly-nie-liczac-misia#

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